Donnerstag, 24. Juli 2014

Freundinnen

Seit einiger Zeit denke ich immer wieder über die eine oder andere Freundschaft nach. Ich merke, dass meine Bereitschaft, gewisse Bedingungen zu akzeptieren, sinkt. Zum Beispiel die gut gemeinten Ratschläge, die vollkommen unpassend sind. Zuletzt ist mir das vor Wochen passiert. Eine meiner besten Freundinnen, die schon seit Jahren mit ihrem Freund in Sydney lebt, antwortete auf eine SMS von mir, in der ich sie über die neuste Entwicklung in Sachen Familienplanung informierte, wie folgt: "gib dem Thema nicht zu viel Raum. Die Schwangerschaft kommt von ganz alleine und ist gratis. Das einzige, was im Leben umsonst ist." Ich war/bin sehr wütend und enttäuscht und habe sie das wissen lassen. Diese Nachricht kam zu einem Zeitpunkt, als ich mich über Behandlungsmöglichkeiten informierte und ich noch nicht wusste, inwieweit IVF in Schweden bezahlt wird. Ich hatte bereits seit 1 1/2 Jahren wöchtenlich ungefähr 60 Euro für Akupunktur bezahlt. Es war der blanke Hohn! Und das schrieb ich ihr auch. Das war das erste Mal, dass ich sie kritisiert habe unEd ich war auch nicht darum bemüht, die Kritik in schöne Worte zu fassen. Sie schrieb darauf hin, dass sie meine Mail nicht habe bis zu Ende lesen können, da sie das zu doll runterziehen würde. Sie würde seit 1 1/2 Jahren gegen eine Depression kämpfen. Davon wusste ich nichts und konnte dann nur noch konstatieren, dass wir uns gegenseitig zumindest jetzt keine Hilfe sein können. Vor 1 1/2 Jahren kam ihr Sohn gesund zur Welt. Nun musste ich von einer gemeinsamen Freundin hören (die nun auch schwanger werden will), dass unsere australische Freundin ihr zur Beruhigung gesagt habe, ihrer Erfahrung seien nach alle innerhalb von drei Monaten schwanger geworden. Vielen Dank, dass sie da nicht an mich gedacht hat. Jetzt fühle ich mich so richtig ernst genommen. Und das ist ein bißchen das Problem. In meinem bisherigen Leben gab es keine nennenswerten Probleme abgesehen davon, dass ich lange auf meinen Traumprinzen warten musste und in der Zwischenzeit den einen oder anderen Frosch küssen musste, die sich letzendlich allesamt als tatsächliche Frösche erwiesen hatten. Aber am Ende ging alles gut, und vielleicht verhält es sich ja ähnlich mit der Familienbildung. Am Ende wird hoffentlich auch das gut ausgehen. Aber das nur nebenbei. Zurück zum Problem: ich denke, ich bin bekannt dafür, dass ich für alles und jeden Verständnis habe. Das ist ja nun auch mein Beruf. In meinem vorigen Leben war ich 8 Jahre lang Bewährungshelferin. Diese Tätigkeit erfordert Verständnis. Auch meine jetzige Arbeit als Erzieherin erfordert viel Verständnis. Und genauso wie im Beruf habe ich auch für meine Freundinnen viel Verständnis. Und das ist jetzt etwas, was ich mir für mich und meine Situation auch wünsche. Verständnis. Keine Ratschläge. Ab und zu mal ein Nachfragen, wie es mir eigentlich geht. Ich bin ein sehr positiver Mensch und kann selbst dieser Situation viel Positives abgewinnen. Trotzdem zehrt sie aber auch und kostet Kraft. Manchmal geht es mir besser und manchmal schlechter. Ich bin aber nicht diejenige, die es raushängen lässt, wenn es mal schlechter geht. Das bekommt dann allenfalls der Kapitän mit. Meine Überlegungen handeln also davon, dass ich etwas bekomme, was ich immer fast automatisch gegeben habe. Hinzu kommt noch die Hürde, dass ich so weit weg von allen guten Freundinnen lebe. Wir können uns nicht mal eben zum Teetrinken treffen. Aber in der heutigen Zeit sollte auch das nicht wirklich ein Problem darstellen. Es gibt Emails, facebook, Skype, FaceTime, Telefone, SMS und nicht zuletzt Flugzeuge und Züge. Es ist wohl eher der Alltag, der uns alle sehr einnimmt. Aber ich habe auch Freundinnen, die sich der modernen Technik verweigern und denen ein Besuch bei mir nicht möglich war. Was mache ich mit denen? Ich habe angefangen, meine Freundschaften zu überdenken und ggf. in Frage zu stellen. Da wir in Stockholm bleiben werden, muss ich mich um Freundschaften vor Ort kümmern. Ich habe mich bis jetzt schwer getan, neue Freundschaften zu schließen. Es muss passen. Aber vor einem Jahr habe ich durch die Arbeit eine kennen gelernt, mit der ich mich gerne treffe. Das freut mich. Dazu sind wir mit einem anderen deutschen Paar befreundet. Und ich habe den Kapitän und eine sehr soziale Arbeit, so dass ich mich in sozialer Hinsicht gut versorgt sehe. Dazu setze ich darauf, dass wir in unserer neuen Heimat nette Nachbarn bekommen. Der Stadtteil ist so klein und von Wasser umgeben und befindet sich im Entstehen, dass ich guter Dinge bin. Wir alle sind neu dort und werden uns ganz zwangsläufig ständig über den Weg kaufen. In unserem Fall haben wir noch den Vorteil einer gemeinsamen Dachterasse mit sicher unglaublicher Aussicht sowohl nach Stockholm rein als auch raus in die Schären, dass wir sicher auch dort in Kontakt mit Nachbarn kommen werden. Um nun will ich auch endlich diesen Post zum Schluss bringen. Festzuhalten ist, dass ich viele gute Freundinnen habe. Die eine oder andere Freundschaft steht dennoch gerade auf dem Prüfstand, zum einen aufgrund der räumlichen Distanz, zum anderen aber auch aufgrund mangelnden Verständnisses für meine mitunter nicht immer leichte Situation. Ihr habt es sicher schon gemerkt, ich bin froh, dass ich diesen Blog habe, auch wenn ihn gerade noch niemand zu lesen scheint. Ich schreibe, weil ich ein eigenes Bedürfnis habe, meine Gedanken aufzuschreiben. Und irgendwann liest es vielleicht mal jemand und kann sich in Punkten wieder erkennen oder findet meine Posts einfach nur unterhaltsam. Jetzt ruft aber die Sonne und der Balkon!

8 Kommentare:

  1. Ich bin hier. Ich bin gerade auf dich "gestoßen" und hey, ich lese dich! :)
    Ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen. Mir geht es ähnlich, ich schließe nicht schnell Freundschaften und wenn, dann möchte ich auch eine richtige Freundschaft. Auch ich lerne mehr und mehr mich von Menschen auch zu trennen, bzw. den Kontakt einfach einschlafen zu lassen, wenn ich merke, dass es mir nicht gut tut, weil es oberflächlich ist. Das brauche ich nicht. Möchte ich nicht. Wozu?
    Und zum guten Schluss meines heutigen Kommentars an dich: Ich bin neidisch. Ich liebe Stockholm. Es ist soooo schön dort und du darfst dort leben. Wow. In meinem nächsten Leben werde ich Schwedin und wohne in einem roten Haus. Definitiv.

    Alles Liebe
    Penny

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    1. Hallo Penny,
      vielen lieben Dank für deine herzlichen Worte. Ich habe mich gleich weniger einsam gefühlt. Und irgendwie tut es gut, beneidet zu werden. Ich finde auch, dass ich unglaubliches Glück habe, hier mit meinem Traummann leben zu dürfen. Stockholm ist eine Traumstadt! auch ohne rotes Haus. So viele gibt es in der Stadt selbst ja gar nicht ;-) Liebe Grüße Solbritt

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  2. Hej på dig!
    Ich habe grade in deinem Blog "rumgelesen" und hab mich in einigen Dingen wiedererkannt bzw. festgestellt, dass wir ein paar Gemeinsamkeiten haben! Ich würde dir gern mal eine Mail schreiben, habe aber keine Adresse entdeckt!;)
    Många hälsningar!
    Judy

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    1. Hallo Judy, hier kommt meine mailadresse: hamingja.solbritt@gmail.com. ich freue mich über eine Mail! Liebe Grüße solbritt

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  3. Huhu :)

    ich lese deinen Blog auch (ok, ich gebe zu, erst seit gerade eben), und ich gebe dir komplett recht! Es ist zwar schwer, langjährige Greunde einfach "ziehen" zu lassen, aber du solltest dir selbst ersteinmal am wichtigsten sein. Wenn du das Gefühl hast, jemand nimmt dich und deine Probleme nicht ernst, dann höre auf deinen Bauch und schließe die Tür vorerst ein bisschen. Schau, ob der andere sich die Mühe macht, sie wieder zu öffnen, dann sollte er wieder Willkommen sein, aber wenn nichts weiter kommt, konzentriere dich auf die Persinen um dich, die dich schätzen und dich unterstützen (gerade psychisch)! Ich hatte gestern gerade selber ein Telefonat mit einer langjährigen Freundin und Ihr rutschte tatsächlich raus, dass sie nicht versteht, dass KK in Deutschland sooo viel Geld für Leute ausgeben, die keine Kinder bekommen können und sie nicht mal eine Massage verschrieben bekommt! Ich kann mir also gut vorstellen, wie du dich gerade fühlst! Liebe Grüße Pippi

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    1. Hallo Pippi, das ist aber auch wirklich ein Hammer, was du dir anhören musstest! Sensibilität gleich 0. Da hast du wirklich allen Grund, diese Freundschaft anzuzweifeln. Und beim besten Willen kann man ein Rückenleiden, welches sich mit Massage beheben lässt nicht mit dem Leid der ungewollten Kinderlosigkeit vergleichen. Ich erfahre gerade, dass wirkliche Freundschaften durch Kritik auch gut entwickeln können. Eine sehr gute Freundin hatte sich in der Vergangenheit nicht sonderlich um Kontakt bemüht, aber nachdem ich das angemerkt hatte und etliche emails später, kann ich sagen, dass wir beide nicht mehr viel voneinander wussten und uns deswegen auch nicht mehr verstehen konnten. Jetzt fühlt es sich wieder so an wie früher, und das macht mich glücklich. Aber das funktioniert sicher nicht mit allen, und so manch eine muss man gehen lassen. Das ist wohl so. Ich freue mich jedenfalls für dich über deine Schwangerschaft. Alles Gute und liebe Grüße Solbritt

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  4. Hallo Solbritt,

    ich fühle mit Dir.
    Kann Dir aber auch sagen, meine allerbeste Freundin und ich hatten eine wirklich schwere Zeit miteinander.Räumliche Trennung, sie hat sich als Patin wenig um unsere Tochter gekümmert, unser Wunsch nach einem Geschwisterchen ist nach 6 Jahren immer noch nicht in Erfüllung gegangen, Sie hatten auch Kinderwunsch, haben aber viel mehr Möglichkeiten, auch finanzieller Natur als wir. Ich war so mit mir beschäftigt, fand mich unverstanden von Ihr, dass ich auch nicht wirklich für Sie da war und als Sie mir dann auch noch sagte, Sie sei nach der ersten Icsi jetzt schwanger, nachdem ich gerade eine FG hatte, hat es ne ganze Weile gedauert, bis wir wieder aufeinander zugehen und uns aussprechen konnten.
    Lass Dir Zeit für Dich, um gib Dich mit den Leuten die Dir gut tun und vielleicht wird das dann auch mit den anderen Mädels wieder!
    Ich Druck euch die Daumen und verfolge gespannt weiter wie es bei euch weiter geht.
    Liebe Grüße Jenny

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  5. Hallo Jenny,
    Danke für dein Mitgefühl. Ich stimme dir zu, manchmal hilft die Zeit. Das glaube ich im Fall meiner australischen Freundin auch. Wir sind in so unterschiedlichen Situationen, dass wir uns jetzt nicht gut tun. Es wird sicher besser, wenn ich Mutter bin und Abstand zu der Kinderwunschzeit gewonnen habe. Davon will ich jetzt einfach mal ausgehen. Ich bin ja nicht alleine und habe noch andere Freundinnen und einen tollen Mann. Und jetzt auch diesen Blog, der sich ja gerade sehr positiv entwickelt! Liebe Grüße und viel Glück auf dem Weg zum Geschwisterlichen, Solbritt

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