Samstag, 18. Juni 2016

Ein ganzes halbes Jahr

Unsere Madam ist inzwischen 6 Monate und 2 Tage alt. Es ist unglaublich, wie sie sich in der Zeit entwickelt hat. Von dem kleinen Säugling, der eigentlich am liebsten auf Mama und an der Brust hängt zu einer richtigen kleinen Persönlichkeit, die kaum noch Zeit zum trinken hat. Jetzt muss schließlich die Welt entdeckt werden. Sie kugelt durch das ganze Wohnzimmer und gibt immer wieder neue Laute von sich. Meistens ist sie ein fröhliches Kind und zieht schnell alle Menschen in ihren Bann. 

Inzwischen würde ich sagen, dass ich angekommen bin in meiner Rolle als Mama. Was war für mich überraschend dabei? Dass ich in den ersten Monaten so unsicher gewesen bin, wenn es darum ging, das Haus zu verlassen. Es war für mich kaum auszuhalten, wenn die Kleine im Wagen oder in der Tragehilfe schreit und ich ihrem Bedürfnis nach meiner Brust dann womöglich nicht sofort nachkommen kann, weil wir vielleicht gerade im Supermarkt an der Kasse stehen und es außerdem Winter war mit all den dicken Klamotten zwischen uns. Ich hatte mich bis dahin immer als cool erlebt, wenn es um Kindergeschrei ging. Da ist es doch etwas ganz anderes mit einem so kleinen eigenen Säugling. Dann hätte ich wohl auch nicht erwartet, dass ich tagsüber so viele Stunden an den Sessel gebunden sein werde, weil sie eben nur auf mir schläft und jedes mal wach wird, wenn ich versuche, sie wegzulegen. Diese Phase ist allerdings vorbei. Sowieso steht der Babyschlaf über allem. Das macht Auswärtstermine immer noch zu einer Herausforderung, wobei die deutlich kleiner sind, einfach durch die wärmeren Temperaturen und dass sie jetzt ja kaum noch unterwegs die Brust verlangt. Aber ihr Schlaf bestimmt meinen Tag. Im Moment kann sie ungefähr zwei Stunden wach sein bis sie wieder müde wird. Dann schläft sie eine Weile, was alles zwischen 20 Minuten und 2,5 Stunden sein kann. Das macht eine Planung im Voraus nahezu unmöglich, jedenfalls wenn man sich vornimmt, ihren Schlaf nicht zu stören. Planung ist sowieso etwas, was man sich mit Kind schnell abgewöhnen kann. Hat man sich an etwas gewöhnt, geht die Entwicklung schon wieder weiter. Es ist also immer spannend.

Dank Facebook und der unzähligen Stunden im Sessel habe ich viel gelernt rund ums Thema Kind. Z.b. habe ich von EC- Elimination Communication erfahren. Danach geht es um die Kommunikation über das Bedürfnis des Kindes sich zu entleeren, sprich auf Toilette zu gehen. Das haben wir von Anfang an praktiziert (sprich: ich). Es klappt hervorragend, und schmutzige Windeln haben wir nur selten. Nasse dagegen regelmäßig, da sie ständig pinkelt. Da kommt keiner hinterher, aber das wird wohl später anders werden. Im Zusammenhang mit dem Toilettengang kamen die Stoffwindeln ins Spiel. Ich hätte es eigentlich ahnen können, dass das gut zu mir passt- zu meiner Vorstellung, dass wir was tun müssen, um die Umwelt zu schützen und so wenig Gifte wie möglich an unsere Kinder ranlassen sollten. Jetzt gibt es Windeln aus Baumwolle, Bambus oder Hanf mit Wollüberhose wenn wir zuhause sind und nur noch unterwegs die Plastikwindeln. Da sind wir auch schon beim nächsten Stichwort- Wolle. Man braucht nicht unzählige Baumwollbodys- drei Bodys aus Wolle/Seide sind vollkommen ausreichend. Wolle ist ein tolles Material, und gerade meine große Leidenschaft. In den wenigen freien Minuten wird gehäkelt und gestrickt. Es sind schon einige Tiere dabei entstanden und gerade häkel ich an einer Jacke, in die sie allerdings noch reinwachsen muss.
Dann bin ich in die Welt der Tragetücher abgetaucht, und habe inzwischen drei zuhause liegen. Auch das kam etwas unerwartet und hat sich so entwickelt. Am Anfang fragt man sich, warum man mehr als ein Tuch braucht. Es mag ja sogar Leute geben, die KEINS haben, aber da weiß ich ehrlich gesagt nicht, wie die zurecht kommen. Wenn hier nichts geht und das Kind die Brust nur anschreit und trotz aller Bemühungen doch mal übermüdet sein sollte- das Tuch geht immer. Und es gibt viele schöne Tücher auf dieser Welt.

Eine weitere Welt zum Abtauchen ist die Welt ums Essen herum. Ich habe mich für die Methode BLW- Baby led Weaning entschieden und werde somit keinen Brei füttern. Das steht jetzt an und ist schon fast zu spannend für das Mamaherz. Sie könnte ja ein Stück in die Luftröhre bekommen und daran ersticken .. Jetzt warte ich erstmal auf die Lieferung von Avocado und Banane, da scheint mir noch am ungefährlichsten, weil eher musige Konsistenz. Oder sie bekommt einfach einen Löffel von meinem Brei oder Suppe und kann dann damit die Feinmotorik üben und neue Geschmäcker kennen lernen. Darum geht es jetzt ja eh. Bis auf weiteres ist Muttermilch die Hauptnahrungsquelle. An Abstillen denke ich nicht. Allerdings habe ich jetzt tatsächlich einen Studienplatz bekommen und werde im Herbst ein wenig an die Uni gehen, damit ich hier als anerkannte Erzieherin arbeiten und entsprechend mehr verdienen kann. Es geht gleich mit einer Herausforderung los: ich haben einen Einführungstag im August von 9.00-17.00 Uhr. Kürzlich habe ich versucht, Milch abzupumpen, was ungefähr genauso scheiterte wie der Versuch, der kleinen Madam, die Flasche zu geben. Damit konnte sie gar nichts anfangen und hat mich nur erstaunt angeguckt während ihr der Milchersatz an den Mundwinkeln wieder heraus lief. Wir werden sehen. Zur Not muss der Kapitän alle paar Stunden zur Uni um die Milchzufuhr zu sichern. Immerhin konnte ich die Einführung von drei auf einen Tag runterhandeln.. Wenn ich Glück habe, kann ich das Studium auf eine Eignungsprüfung verkürzen, was natürlich die eleganteste Lösung wäre. Aber mit solchen Dingen habe ich eigentlich immer Glück, so dass ich ganz zuversichtlich bin. 

Wie geht es jetzt also weiter nachdem sich der Lebenstraum erfüllt hat? Ich werde also meine Ausbildung aufbessern, nicht allein des Geldes wegen, sondern auch, um gute Arbeitsbedingungen aushandeln zu können. Erzieherinnen werden hier händeringend gesucht, es gibt viel zu wenige. Da kann man dann schon mal was fordern. Für mich ist Zeit das wichtigste Argument. Ich möchte die Kleine so früh wie möglich aus dem Kindergarten abholen können, sprich- am liebsten um 14.00 Uhr, spätestens aber um 15.00 Uhr. Ich will schließlich nicht nur ein eigenes Kind, sondern auch Zeit mit ihm verbringen. Deswegen soll sie auch erst mit zwei Jahren in den Kindergarten kommen. Die meisten schwedischen Kinder fangen mit 1,5 Jahren an, weil dann das Elterngeld aufgebraucht ist. Wir strecken das ein wenig und haben so natürlich monatlich weniger, aber es reicht länger. Ich bleibe die ersten 1,5 Jahre zuhause, also bis nächsten August, und dann übernimmt der Kapitän noch einmal für ein halbes Jahr. Das wird sicher für alle auch noch mal spannend, wenn die Rollen getauscht werden. Bis jetzt liegt die Hauptverantwortung bei mir, sicher auch wegen des Stillens und weil ich zuhause bin. Aber Tragen und Baden könnte der Kapitän natürlich auch mal übernehmen...aber alles ist in der Entwicklung, und wie schon angedeutet, kommt sein Einsatz noch. Grundsätzlich ist er aber ein toller Vater, er spielt ganz lieb mit unserer kleinen Madam und zeigt ihr gerne die Welt.

Und so stelle ich mir unser zukünftiges Leben vor: der Kapitän arbeitet 100% und ich etwa 75%, und die Kleine geht von 8.00 Uhr bis 14.00/15.00 Uhr in den Kindergarten. Eine Alternative wäre, dass wir beide 80% arbeiten, aber daraus wird wohl nichts. Der Kapitän meint, das würde in seinem Job nicht gehen. Um uns herum gibt es schon jetzt ganz viele Babys und Kleinkinder, so dass es an Spielkameraden keinen Mangel geben wird. Manchmal wünsche ich mir schon ein Geschwisterchen. Es fällt mir sehr schwer, mich von den kleinen Lieblingsklamotten für immer und ewig zu verabschieden. Und was ist, wenn sie erwachsen ist und wir alt werden? Sie ist sowohl in der Familie vom Kapitän als auch in meiner Familie das einzige Kind, von den beiden Kindern der Kusine des Kapitäns mal abgesehen. Das ist schon auch eine gewisse Verantwortung, die sich geteilt vielleicht besser tragen ließe. Ich würde also einer nochmaligen künstlichen Befruchtung nicht negativ entgegenstehen. Aber der Kapitän will nicht. Er wollte immer nur ein Kind haben. Und mit ganz viel Glück gibt es ja jetzt ein wundervolles Kind in unserem Leben! Es ist immer noch unfassbar, welchen Wirbel unser 5zeller in unser Leben gebracht hat. Wow.

Und das ist dann auch ein gutes Schlusswort: Wow. Welche eine Reise und welch ein Ergebnis. Und damit werde ich mich jetzt vom Blog verabschieden. Er bleibt im Netz, aber ich schreibe nicht weiter. Dazu habe ich auch wirklich keine Zeit mehr. Die Zeit, in denen sie schläft, sind unendlich kostbar. 
Ich wünsche abschließend allen, die noch auf das Elternglück warten, dass ihr Wunsch in Erfüllung gehen möge. Und ich bedanke mich bei allen, die mir gefolgt sind und denen ich folgen durfte. Diese Gemeinschaft der Blogwelt hat mir sehr geholfen, in einer Zeit, die nicht immer leicht zu ertragen war. Ich fühlte mich weniger alleine und mehr verstanden. Vielen Dank und viel Glück für die Zukunft!


P.S. Das Boot kommt schon noch irgendwann. Da mache ich mir keine Sorgen, auch wenn wir gerade gehört haben, dass man 30 Jahre auf einen Bootsplatz bei uns warten muss. Der Hafen ist übrigens noch nicht mal gebaut...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen